05. ANTISEMITISMUS UND SHOAH

Urheberrechte: Giulia Zitelli Conti, Isrifar

Was für ein wunderbarer Ort voller Geschichte. Aber … wenn ich auf den Boden schaue, sehe ich, dass es auch bei euch die Stolpersteine gibt zur Erinnerung an die Menschen, die in die Lager deportiert wurden. Hier gibt es besonders viele davon, warum?

Wir sind hier im historischen jüdischen Viertel von Rom. In diesem Ghetto fand am 16. Oktober 1943 die Razzia statt. Genau hier, zwischen dem Torbogen der Ottavia und den Resten des Marcello-Theaters trieben die SS die Juden zusammen, die sie zuvor zwangsweise aus den Häusern geholt hatten.

So wie es 1942 schon in Paris geschehen war.

Ja, Jan und hier wurde den Nationalsozialisten die Arbeit durch die Volkszählung erleichtert, die das faschistische Regime im Anschluss an den Erlass der Rassengesetze im Jahre 1938 verfügt hatte.

Wie ist es diesen Menschen nach der Razzia ergangen?

1024 Personen, darunter 200 Kinder, wurden abgeführt und vom Bahnhof Tiburtina aus nach Auschwitz deportiert. Nachdem sie dort angekommen waren, wurden 823 von ihnen direkt in die Gaskammern geschickt. Nur 16 Personen überlebten und konnten nach Hause zurückkehren.

Hier oben sehe ich eine Gedenktafel.

Ja, die wurde in den 1960er Jahren aufgestellt und erinnert an die Juden aus Rom und ganz Italien, die in den nationalsozialistischen Lagern ums Leben kamen. Auch eine Straße erhielt den Namen jenes furchtbaren Tages im Jahr 1943.

Urheberrechte: Federico Patellani © Archivio Federico Patellani – Regione Lombardia / Museo di Fotografia Contemporanea, Milano-Cinisello Balsamo

GESCHICHTE

Die 1936 in Gang gesetzte Rassenpropaganda des faschistischen Regimes findet 1938 ihre umfassende Verwirklichung. In diesem Jahr wird das sogenannte Manifesto degli scienziati razzisti („Manifest der rassistischen Wissenschaftler“) veröffentlicht und die Direzione Generale per la Demografia e la Razza (Generaldirektion für Demographie und Rasse) eingerichtet; für die in Italien ansässigen Juden wird eine Volkszählung durchgeführt.

Im Herbst werden die sogenannten Leggi razziali (Rassengesetze) verabschiedet und damit ein Komplex von Maßnahmen, der den Ausschluss der Juden aus dem nationalen Leben sanktioniert: Die jüdischen Mitbürger werden aus Schulen, öffentlichen und privaten Einrichtungen entfernt, Mischehen werden untersagt und weitere Restriktionen verhängt.

Die Verfolgung – die in ihren Anfängen von allgemeiner Gleichgültigkeit in der Bevölkerung begleitet ist und auf keinen offenen Widerstand, auch nicht auf den der Kirche, trifft – erfährt 1943 eine dramatische Wende: Die RSI sanktioniert die systematische Verhaftung der Juden und die Konfiszierung ihres Besitzes, richtet Durchgangs- und Konzentrationslager auf italienischem Boden ein. Die Nationalsozialisten organisieren unter Mithilfe der Faschisten Razzien und Deportationen.

In der Folge werden über 8000 Juden aus Italien und den italienischen Besatzungszonen in Frankreich und auf dem Dodekanes nach Auschwitz und in andere Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, wo die meisten von ihnen den Tod finden.

ERINNERUNG

Der Bewusstwerdungsprozess für die Verfolgung und Vernichtung der Juden hat in Italien nicht unmittelbar stattgefunden, sondern hat – wie in Europa insgesamt – unterschiedliche Phasen durchlaufen.

In der frühen Nachkriegszeit hat man die Unterdrückung der Juden nicht von der allgemein im Krieg ausgeübten Gewalt unterschieden. Im Vergleich zur Aufmerksamkeit für die Partisanenkämpfe führte die Judenverfolgung ein Schattendasein.  Erst ab Ende der 1950er Jahre haben die Verbreitung von Werken wie Se questo è un uomo („Ist das ein Mensch?“) von Primo Levi und der Eichmann-Prozess in Jerusalem (1961) die Shoah einer größeren Öffentlichkeit nahegebracht und die Rolle des Zeitzeugen aufgewertet. Die italienischen Verantwortlichkeiten wurden jedoch verharmlost und mit den Kriegsumständen gerechtfertigt. Der Erinnerung an die Rassengesetze ist man noch bis in die neueste Zeit hinein ausgewichen.

Seit den 1990er Jahren ist das Gedenken an die Shoah von der Politik umfänglich in die europäische und italienische Erinnerungskultur aufgenommen worden, insbesondere nach der Einrichtung des Internationalen Holocaust-Gedenktages (Giorno della Memoria). Dabei nehmen die Opfer und die Gerechten unter den Völkern („I Giusti“) eine zentrale Rolle ein.

Aber Revisionismus und Gleichgültigkeit setzen sich fort. Es gibt neue Wellen von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Auch das Gedenken an weitere rassistische Verfolgungen, wie die der Roma und Sinti, ist in der öffentlichen Diskussion noch recht mangelhaft entwickelt.

Sehenswürdigkeiten

01.
Gedenkstätte der Deportation
(Borgo San Dalmazzo, Piemont)
02.
03.
PIAZZA UNITÀ D’ITALIA
(Triest, Friaul Julisch Venetien)
04.
Stiftung Villa Emma
(Nonantola, Emilia-Romagna)
05.
Kriegsgefangenenlager PG 59
(Servigliano, Marken)
06.
Gedenkmuseum
(Assisi, Umbrien)
07.
Konzentrationslager Ferramonti di Tarsia
(Ferramonti di Tarsia, Kalabrien)
08.
Holocaust-Denkmal
(Venedig, Venetien)

 

Film- und Literaturtipps

L’oro di Roma

Film

(Carlo Lizzani, 1961)

Se questo è un uomo

Buch

(Primo Levi, 1947)

La vita è bella

Film

(Roberto Benigni, 1997)

Il giardino dei Finzi Contini

Buch

(Giorgio Bassani, 1962)

Mehr erfahren

Convegno „A ottant’anni dalle leggi razziali“